holly holleber

1996 Kabarett Doppel


Alles ganz normaler Schrott

Kabarettabend der GEW Buchen
Der Müll, das Auto und das Wetter
Holly Holleber und Martin Schley nahmen Wohlstandsattitüden aufs Korn – Gullydeckel-Rhythmus
fz. Buchen . Vielversprechend präsentierte sich am Freitagabend im Joseph-Martin-Kraus-Saal der „Wiedereinstieg der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in die kulturelle Szene Buchens“ mit 
dem Kleinkunstprogramm von Werner Holly Holleber und Martin Schley. Ein Kabarett-Abend, der kunterbunt Nebenprodukte unserer Wohlstands-gesellschaft hervorkramte und auf die Sortieranlage der Humoristen warf. 
Eine Mülldeponie stellte das zündstoffträchtige Szenario für die kabarettistischen Ausflüge von Werner Holly Holleber und Martin Schley dar. Originell war das Sammelsurium an „Abfall“, aus dem die beiden Kabarettisten Stoff für kritische Gedanken schürften. „Sechs Ar Bauerwartungsland“ nannte Holly, „eine Mischung zwischen Diogenes und Huckleberry Finn“, sein Reich. Im fetzigen Gullydeckel-Rhythmus stellte er seine Philosophie vor: „Schmeiß doch einfach, was dir stinkt, in den Gully“. Mit vielerlei Utensilien aus der Kategorie „Wohlstandsmüll“ fabrizierte er ebenso verblüffend wie dynamisch Percussionbegleitung für seinen Sprechgesang. Aus einem Karton tauchte sein Kompagnon Martin Schley auf, den er von Fremdbestimmung – in Gestalt eines Metronoms – erst einmal auf Selbstbestimmung programmieren mußte, was durch Kennenlernen des eigenen Herzschlags geschah.
Die vielschichtige Problematik des Umweltschutzes klang an in Martins Story vom Waldspaziergang per Auto und in Hollys Erlebnissen mit seinem Auto unter dem Vorzeichen „Er läuft und säuft“, die er mit musikalischen Einlagen auf wassergefüllten Radkappen untermalte. Mit „vielem Gruß“ versah Martin seinen umfangreichen Briefwechsel an einen Autohersteller, in dem er die in der Werbung angekündigte Möglichkeit, einen Kleinwagen als Zweitwohnung benutzen zu können, auf Herz und Nieren geprüft hatte und mit naiv-witzigem Touch bei Frau Gesines Werbeabteilung und dem „sehr geehrten Amt“ für Irritationen gesorgt hatte. Der von Holly inszenierte Bierfäßchen-Song griff das Klischee auf: „Richtige Männer wie wir, die saufen auch Bier!“
Das Ding, „das Gewohnheit heißt“, und die Schubladenmentalität nahm Martin mit schwäbischem Zungenschlag aufs Korn. Nach Hollys Aufforderung „hascht no so e Gschicht“ kramte Martin in seinem Erleb-nisschatz die „Tragödie des „ganz normalen Hauses“ aus, zu dessen gutem Ruf es so gar nicht paßte, daß einer nach dem anderen durch „Wegrationalisierung“ arbeitslos wurde. Der Briefe-Freak Martin forderte das ZDF zu Instandsetzungsarbeiten auf, monierte die schlechte Tonqualität, weil ihm „so viele leere Worte ans Ohr gedrungen“ waren. An das ganz große Tabu-Thema: „Das Boot ist voll“ knüpfte Martins Schilderung einer Szene am Samstagmorgen in der Straßenbahn an. Unter Einsatz einer Spielkiste mit Quietscheente und Trillerpfeife zitierte Holly eine fröhliche unbeschwerte Scheinwelt. „Aber s’is halt immer die Frach, was`d gewöhnt bisch“, kommentierte Martin. Das Gefühl des „neuen Herrn“ in der Karriere als Hausmann zum Sound des Staubsaugers, die Ambitionen eines Kameramanns, dem man eines Tages die Videos von Bäumen entreißen wird, der Alltag eines Abflußrohrs, das „schlucke muß, weils halt Bestimmung is“ und der Briefwechsel des „Wetterträumers mit dem Freiburger Wetteramt“ sorgten für Denkanstöße.

„Ai Sait is doch a mol ganz schön – grad aus Trotz“, gab Martin Schley schließlich im „Ai-Saite-Blues“ zu überlegen. Holleber setzte im mitreißenden Rhythmus seine Saite „und die anner, die es halt immer noch gibt“ als Trumpf drauf.